Sprache und Medizin: medizinische Begriffe oder … wenn Namen eine Geschichte erzählen
Medizinische Begriffe und Krankheitsnamen sind oft mehr als nur technische Bezeichnungen für bestimmte Symptome oder Krankheiten. Sie erzählen Geschichten, spiegeln historische Entwicklungen wider oder sind nach den Personen benannt, die sie erstmals beschrieben haben.
Einige dieser Begriffe haben sich im medizinischen Alltag fest etabliert, obwohl sie auf den ersten Blick vielleicht kurios oder unverständlich wirken. Ein gutes Beispiel dafür ist die sogenannte Reiterhosenkrankheit.
Reiterhosenkrankheit: mehr als nur ein Name
Die Reiterhosenkrankheit, die medizinisch als Lipödem bezeichnet wird, ist eine chronische Fettverteilungsstörung, die fast ausschließlich Frauen betrifft. Der Begriff „Reiterhosen“ bezieht sich dabei auf die typische Fettansammlung im Bereich der Hüften, Oberschenkel und Gesäß, die an die Form von Reiterhosen erinnert. Diese Fettpolster sind nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern gehen oft mit Schmerzen, Schwellungen und erhöhter Druckempfindlichkeit einher.
Das Lipödem wird häufig mit Übergewicht verwechselt, ist aber eine eigenständige Erkrankung, die genetisch bedingt ist, wobei eine besondere Herausforderung für Betroffene die Tatsache ist, dass Diäten und Sport in der Regel wenig Einfluss auf die Fettverteilung haben. Das wiederum kann zu Frustration und psychischen Belastungen führen.
Eponyme: nach Personen benannte Krankheitsnamen
Ein anderer interessanter Aspekt der medizinischen Nomenklatur sind Eponyme. Krankheitsnamen, die nach den Entdeckern oder ersten Beschreibern benannt sind, sind uns schon geläufiger. Ein Beispiel ist der Morbus Parkinson, benannt nach dem britischen Arzt James Parkinson, der 1817 erstmals die Symptome der Krankheit in seiner Abhandlung „An Essay on the Shaking Palsy“ beschrieb. Morbus Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die vor allem durch Bewegungsstörungen, Zittern und Muskelsteifheit gekennzeichnet ist.
Ähnlich verhält es sich mit der Alzheimer- oder der Crohn-Krankheit, benannt nach Alois Alzheimer und Burrill Crohn, die die jeweiligen Krankheitsbilder als erste wissenschaftlich beschrieben.
Solche Eponyme sind oft eine Anerkennung der wissenschaftlichen Leistung und hinterlassen eine dauerhafte Erinnerung an die Pioniere der Medizin.
Kofferwörter: Kombinationen aus mehreren Begriffen
In der Medizin gibt es auch sogenannte Kofferwörter, hierbei verschmelzen zwei oder mehr Begriffe zu einem neuen Wort, um ein bestimmtes Krankheitsbild zu beschreiben. Ein Nehmen wir den Begriff Schlaganfall, eine Kombination aus den Wörtern „Schlag“ und „Anfall“, um die plötzliche und heftige Natur dieses medizinischen Notfalls zu betonen. Der medizinische Fachbegriff dafür lautet Apoplex, das griechische Wort für „Schlag“.
Ein weiteres Beispiel ist das Burn-out-Syndrom, ein Zustand emotionaler, körperlicher und geistiger Erschöpfung, hervorgerufen durch chronischen Stress und Überforderung (am Arbeitsplatz oder durch das private Umfeld). „Burn-out“ ist ein englisches Kofferwort aus „to burn“ (brennen) und „out“ (aus), das das völlige Ausgebranntsein beschreibt.
Begriffe mit historischer und kultureller Bedeutung
Manche medizinische Begriffe tragen auch historische oder kulturelle Konnotationen, die ihre Bedeutung über die reine Medizin hinaus erweitern, so zum Beispiel stammt der Name „Malaria“ aus dem Italienischen und bedeutet „schlechte Luft“ (mal’aria). Der Begriff entstand im Mittelalter, als man glaubte, dass die Krankheit durch schlechte Luft, insbesondere aus Sümpfen und stehenden Gewässern, verursacht wurde. Erst später entdeckte man, dass Malaria tatsächlich durch Parasiten, die von Mücken übertragen werden, verursacht wird.
Oder Rachitis (Englische Krankheit), eine Erkrankung des Skelettsystems aufgrund von Vitamin-D-Mangel, wurde auch „englische Krankheit“ genannt, da sie im 17. und 18. Jahrhundert besonders häufig in England vorkam. Die Industrialisierung führte dort zu einer Verdunkelung des Himmels durch Rauch, was den Vitamin-D-Mangel verstärkte.
Fazit: Sprache und Medizin – mehr als nur Begriffe
Medizinische Begriffe sind mehr als nur technische Bezeichnungen – sie sind ein Guckloch in die Geschichte der Medizin, reflektieren die kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklungen und tragen oft eine tiefere Bedeutung in sich. Begriffe wie die Reiterhosenkrankheit, Eponyme wie Morbus Parkinson oder Kofferwörter wie der Schlaganfall sind Beispiele dafür, wie eng Sprache und Medizin miteinander verwoben sind. Sie zeigen, dass das Verstehen dieser Begriffe nicht nur wichtig für Mediziner, sondern auch für Patienten und die allgemeine Öffentlichkeit ist.